Nachträgliche Betriebsausgaben trotz Steuerfreiheit der Betriebseinnahmen
Wer eine kleinere Photovoltaikanlage betreibt, muss seine Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage ab dem 01. Januar 2022 nach § 3 Nr. 72 EStG nicht mehr der Einkommensteuer unterwerfen. Leider können dann aber auch ab dem 01. Januar 2022 keine Betriebsausgaben im Zusammenhang mit dem Betrieb dieser Photovoltaikanlage mehr erklärt werden. Doch was ist mit Betriebsausgaben die zwar erst im Jahr 2022 oder später gezahlt worden aber deren Verursachung noch in 2021 oder früher lag.
Hierzu liegt nun eine erste Entscheidung des Finanzgerichts Münster vor.
In diesem Blogbeitrag erklären wir die Rechtslage. Außerdem stellen wir Musterschreiben zur Verfügung mit denen der Betriebsausgabenabzug beantragt werden kann.
Um was geht es
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Betreiber kleinerer Photovoltaikanlagen müssen ab dem 01. Januar 2022 ihre Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage nicht mehr der Einkommensteuer unterwerfen. Als „klein“ gilt eine Photovoltaikanlage insbesondere dann, wenn die Leistung der Anlage maximal 30 kW (peak) beträgt. Dies ergibt sich aus dem § 3 Nr. 72 Einkommensteuergesetz. Man spricht hier von einer Steuerfreiheit der Einnahmen aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen.
Als Folge der Steuerfreiheit der Einnahmen können dann aber auch keine Ausgaben für den Betrieb dieser Photovoltaikanlagen in der Einkommensteuererklärung mehr geltend gemacht werden. Dieses Verbot für den Abzug der Betriebsausgaben findet sich in § 3c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes.
Bei kleineren Photovoltaikanlagen wurde der Gewinn der Anlage im Rahmen der Einkommensteuererklärung meist durch eine sogenannte „Einnahmen-Überschuss-Rechnung“ ermittelt. Diese Gewinnermittlung nennt sich auch Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz.
Hier werden Einnahmen und Ausgaben immer in dem Jahr bei der Gewinnermittlung berücksichtigt, in dem sie gezahlt wurden. Ausnahmen gibt es nur für regelmäßig wiedergehrende Einnahmen und Ausgaben, die kurz vor oder kurz nach dem Ende eines Kalenderjahres gezahlt werden (10 Tages Frist nach § 11 des Einkommensteuergesetzes).
Wenn zum Beispiel in 2022 noch Umsatzsteuernachzahlungen für 2021 geleistet worden, sind diese bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz in 2022 als Betriebsausgabe anzusetzen.
Würde hier das Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 3c Einkommensteuergesetz greifen?
Wie ist die Rechtslage
Die Steuerbefreiung der Einnahmen aus dem Betrieb kleiner Photovoltaikanlagen ist noch nicht sehr lang im Einkommensteuergesetz zu finden. Daher gibt es auch noch keine Erfahrung aus der Rechtsprechung der Finanzgerichte wie mit dem Betriebsausgabenabzugsverbot in der Praxis umzugehen ist.
Zunächst werfen wir hierzu einen Blick in § 3c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes. Hier steht folgendes: „Ausgaben dürfen, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden“.
Das Betriebsausgabenabzugsverbot greift danach nur bei einem „unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang“ mit steuerfreien Einnahmen.
Was aber ist mit dem „unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang“ gemeint?
Hier kommt es insbesondere drauf an, ob ein „unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang“ auch periodenübergreifend zu sehen ist.
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Mit „periodenübergreifend“ ist gemeint, das ab 2022 keine Betriebsausgaben für den Betrieb kleinerer Photovoltaikanlagen mehr abgezogen werden können. Unabhängig davon für welches Kalenderjahr diese gezahlt wurden. Danach würde es drauf ankommen wann eine Ausgabe gezahlt wurde und nicht wofür.
Unzweifelhaft dürfen in 2021 gezahlte Betriebsausgaben im Zusammenhang mit dem Betrieb kleinerer Photovoltaikanlagen auch in 2021 noch als Betriebsausgaben abgezogen werden. Hiervon geht auch das Bundesfinanzministerium in seinem Schreiben vom 17. Juli 2023 aus. Hier heißt es in Textziffer 21 „Ein Betriebsausgabenabzug in Veranlagungszeiträumen vor 2022 bleibt unberührt“.
Allerdings möchte die Finanzverwaltung für 2021 in 2022 oder später gezahlte Betriebsausgaben nicht mehr berücksichtigen. Dies ergibt sich aus Textziffer 29 des BMF Schreiben vom 17. Juli 2023. Hier steht folgendes „Die zeitliche Zuordnung richtet sich nach der Art der Gewinnermittlung (z. B. nach dem Zu- und Abflussprinzip bei Einnahmenüberschussrechnung).“
Dies spricht für eine periodenübergreifende Anwendung des § 3c Abs. 1 des Einkommensteuergesetz.
Ob diese Auffassung aber richtig ist, ist zumindest fraglich. Aktuell liegt ein erstes Urteil des Finanzgerichts Münster in dieser Frage vor. Das Finanzgericht Münster hat hier entschieden das ein Betriebsausgabenabzug auch in 2022 oder später erfolgen kann, wenn dieser im Zusammenhang mit Einnahmen aus 2021 oder früher steht.
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Warum nicht periodenübergreifend
Für eine nicht „periodenübergreifende“ Anwendung des § 3c Abs. 1 Einkommensteuergesetz spricht folgendes Beispiel:
Wer in 2021 Zahlungen des Netzbetreibers für den eingespeisten Strom mit Umsatzsteuer im Rahmen der Regelbesteuerung erhielt, musste auch die erhaltene Umsatzsteuer bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG als Betriebseinnahme ansetzen.
Wurde diese Umsatzsteuer nun in 2022 an das Finanzamt abgeführt, kann bei einer „periodenübergreifenden“ Anwendung des § 3c Abs. 1 Einkommensteuergesetzes der Betriebsausgabenabzug nicht mehr geltend gemacht werden. Diese Auffassung würde dazu führen, dass die Umsatzsteuer sich nicht mehr neutral bei der Einkommensteuer auswirkt.
Hier würde danach die Einführung der Steuerfreiheit der Betriebseinnahmen nach § 3 Nr. 72 Einkommensteuergesetz ab dem Jahr 2022 im Zusammenspiel mit § 3c Abs. 1 Einkommensteuergesetz zu einer steuerlichen Rückwirkung auf das Jahr 2021 führen. Nach dem deutschen Grundgesetz sind aber solche Rückwirkungen nur unter Berücksichtigung enger Grenzen verfassungsrechtlich zulässig.
Es besteht daher zumindest die Möglichkeit, dass auch im Kalenderjahr 2022 noch Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig sind, wenn diese für Jahre bis zum 31. Dezember 2021 gezahlt worden.
Was ist abzugsfähig
Folgende Ausgaben können danach eventuell auch im Jahr 2022 noch als Betriebsausgaben abgezogen werden:
✅ Umsatzsteuervorauszahlungen für 2021
✅ Umsatzsteuernachzahlungen für 2021 oder früher
✅ Steuerberaterkosten für Gewinnermittlungen 2021 und früher
✅ in 2021 entstandene Wartungskosten der Photovoltaikanlage
✅ sonstige in 2022 gezahlte Kosten für Zeiträume bis 31. Dezember 2021
Wann ist mit einer finanzgerichtlichen Entscheidung zu rechnen
Eine erste Entscheidung liegt nun vom Finanzgericht Münster vor. Hier handelt es sich zwar zunächst um ein Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung, eine Art Vorverfahren. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist noch abzuwarten.
Das Finanzgericht Münster hat in dem Vorverfahren entschieden, das ernstliche Zweifel gegen die Ansicht des Finanzamtes bestehen, das Betriebsausgaben in 2022 oder später nicht mehr abgezogen werden dürfen, wenn diese noch im Zusammenhang mit Einnahmen aus 2021 oder früher stehen.
Darüber hinaus gibt es diverse anhängige Verfahren vor weiteren Finanzgerichten und noch die Hauptsacheverfahren beim Finanzgericht Münster. Diese werden unter folgenden Aktenzeichen geführt:
✅ FG Nürnberg, Az. 4 K 1440/23,
✅ FG Münster, Az. 7 K 105/24 und 7 K 219/24
✅ Niedersächsisches Finanzgericht, Az. 2 K 45/24, 5 K 52/24 und 3 K 131/24
Entscheidungen in diesem Verfahren werden Rechtsklarheit bringen.
Wir werden hier in unserem Blog zeitnah informieren, sobald in den Hauptsachverfahren Entscheidungen vorliegen.
Einspruch einlegen und abwarten
Sollte Ihr Einkommensteuerbescheid für 2022 noch nicht älter als ein Monat sein, haben Sie zwei Möglichkeiten die Betriebsausgaben für 2021 noch nachträglich in 2022 gegenüber dem Finanzamt zu erklären:
▶️ Antrag auf schlichte Änderung
▶️ Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid
Der Antrag auf schlichte Änderung führt dazu, dass der Einkommensteuerbescheid für 2022 nur in dem einen Punkt des „nachträglichen Betriebsausgabenabzugs“ änderbar ist.
Der Einspruch hält die gesamte Einkommensteuerveranlagung für 2022 „offen“. Dies ist nicht immer gewollt, und muss daher im Einzelfall entschieden werden.
Im Einspruchsverfahren gibt es allerdings zusätzlich die Möglichkeit ein „Ruhen des Verfahrens“ nach § 363 Abs. 2 S. 1 der Abgabenordnung zu erreichen. Dies erfolgt aus Zweckmäßigkeitsgründen wenn bereits Verfahren an Finanzgerichten zu gleichen Sachverhalten anhängig sind. Da bisher ein Verfahren „nur“ bei einem Finanzgericht anhängig ist, besteht aber kein Rechtsanspruch auf ein „Ruhen des Verfahrens“. Dieser ist erst gegeben, wenn zu diesem Sachverhalt ein Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig ist.
Bei einem Antrag auf schlichte Änderung des Einkommensteuerbescheides gibt es keine gesetzliche Regelung über ein „Ruhen des Verfahrens“. Hier kommt es daher noch mehr auf ein Entgegenkommen des Finanzamtes an. Das Finanzamt kann den Antrag entweder gleich ablehnen, dann muss gegen diese Ablehnung Einspruch eingelegt werden. Im Einspruchsverfahren kann dann wieder ein Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 S. 1 der Abgabenordnung beantragt werden. Im Besten Fall wird aber das Finanzamt erst über den Antrag auf Änderung entscheiden, wenn nach dem Urteil des Finanzgerichts Nürnberg die Rechtslage klarer ist.
Mit unserem ▶️ Musterantrag bzw. ▶️ Mustereinspruch können Sie entscheiden, welche Möglichkeit für Sie in Ihrem Fall die bessere Lösung ist.